Gemeinsame Erklärung von Susanne Ferschl, Ulrike Eifler und Jan Richter zum aktuellen Zustand der Partei DIE LINKE.

Die Pressekonferenz von Sahra Wagenknecht am Montag war eine Zäsur in der Geschichte unserer Partei DIE LINKE. Ein alternatives Projekt ist nun offiziell bestätigt. Das neue Parteiprojekt ist kein Befreiungsschlag, wie manch einer unkt, sondern Ausdruck unserer Schwäche. Wir sollten also wenigstens einen Moment lang innehalten und bereit sein, uns diese historische Niederlage gemeinsam einzugestehen.

Anfang des neuen Jahrtausends hatte der Angriff auf den Sozialstaat durch die von Gerhard Schröder geführte rot-grüne Bundesregierung verheerende Folgen. Der Arbeitsmarkt wurde dereguliert und Beschäftigung prekarisiert. Die Beteiligung Deutschlands am völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Serbien war ein weiterer politischer Einschnitt. Beides hat insbesondere unter Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern für Widerspruch und Entfremdung gesorgt. Sie gründeten mit der WASG eine Partei, die die Interessen der abhängig Beschäftigten und eine echte Friedenspolitik wieder ins Zentrum der politischen Debatte rückte. Sie ebneten damit den Weg für ein neues gesamtdeutsches linkes Parteiprojekt 2007, erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte gab es in ganz Deutschland eine relevante sozialistische Partei links von der Sozialdemokratie.

Der Abspaltungsprozess ist das Eingeständnis, dass dieses Parteiprojekt, das mit so viel Hoffnungen und Erwartungen gestartet ist, nun an einem Scheideweg steht und in seiner Existenz bedroht ist. Dieser Abspaltungsprozess wurde auf beiden Seiten (!) von Menschen vorangetrieben und vollzogen, mit denen uns nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit verbunden hat, sondern auch ein vertrautes Verhältnis. Dass darunter auch Gewerkschafter waren, schmerzt umso mehr. Denn aus ihrer Praxis wissen Gewerkschafter, dass es die Einheit ist, die stärkt. Ein historisches Parteiprojekt durch Spaltung zu schwächen, ist aus unserer Sicht politisch verantwortungslos.

Zurück bleibt aber nicht nur Enttäuschung. Wir leben in einer Zeit multipler Krisen, die sowohl die Gewerkschaften als auch linke Parteien vor große politische Herausforderungen stellen. Der Kampf für Einkommenssicherung wird längst nicht mehr nur auf der tarifpolitischen Ebene geführt. Für die Gewerkschaften wird eine klare Position zur Außenpolitik der Bundesregierung immer wichtiger. Statt mit diplomatischem Fingerspitzengefühl deeskalierend Einfluss zu nehmen, wälzt sie die Kosten für ihre gigantischen Aufrüstungsprojekte durch Sozialkürzungen auf die Klasse der Lohnabhängigen ab. Gleichzeitig wird die Gesellschaft durch einen immer stärker werdenden Rechtsruck gespalten.  Dieser schadet denjenigen, die den Widerstand gegen die Politik der Bundesregierung – gegen verschärften Sozialabbau, eine gescheiterte Klimapolitik, eine Radikalisierung in der Außenpolitik und neue autoritäre Töne nach innen – organisieren möchten.

Auf unsere Partei kommt jetzt einiges zu. Denn die Gewerkschaften brauchen gerade in diesen Zeiten parteipolitische Partner. Und wenn eine starke, geeinte Linke sich nicht an die Seite der Gewerkschaften stellt, wird es niemand anders tun. Ohne eine starke Linke und ohne starke Gewerkschaften werden die Angriffe der Bundesregierung auf Sozialstaat und friedenspolitische Grundsätze aber nicht abzuwehren sein. Im Angesicht dieser Herausforderungen können wir nur hoffen, dass nun endlich der destruktive Kreislauf der innerparteilichen Selbstbeschäftigung durchbrochen werden kann und es der Parteiführung gelingt, die Partei zusammenzuhalten und gleichzeitig den längst überfälligen Strategieprozess über unseren Gebrauchswert einzuleiten. Hierzu gehört auch eine Phase der schonungslosen Selbstreflexion und Aufarbeitung gemachter Fehler. Vor allem aber ist es wichtig, die Hände auszustrecken und integrierende Einladungen an alle Flügel in unserer Partei auszusprechen. Dazu ist eine unserer Pluralität angemessene Streitkultur vorzuleben, die nach innen kanalisiert.

DIE LINKE ist jetzt 16 Jahre alt. Ob sie bei der Bundestagswahl in zwei Jahren mit Erreichen ihrer Volljährigkeit dem Anspruch einer modernen sozialistischen Partei für das 21. Jahrhundert gerecht wird, hängt maßgeblich davon ab, ob es uns gelingt, in dieser Zeit der tiefen sozialen und ökologischen Widersprüche eine Rollenbestimmung vorzunehmen, die die Interessen der Lohnabhängigen ins Zentrum stellt – in sozialpolitischer, in klimapolitischer und in friedenspolitischer Hinsicht. Schwache linke Parteien sind keine schicksalhafte Entwicklung, sondern das Ergebnis fehlender strategischer Klärungsprozesse. Das zeigt die Partei der Arbeit in Belgien ebenso wie die österreichische KPÖ. Strategische Klärungsprozesse sind aber mehr als persönliche Auseinandersetzungen und der Weggang einzelner Genossinnen und Genossen.

Die aktuellen politischen Herausforderungen sind viel zu groß, als dass wir sie getrennt voneinander meistern könnten. Gerade in diesen Zeiten, in denen uns ein rechter Zeitgeist entgegenweht, wollen wir, dass DIE LINKE eine Klassenpartei bliebt. Dass sie weiter um die Ausrichtung ihres Klassenkompass ringt. Und dass sie wieder eine stärkere Verankerung unter abhängig Beschäftigten bekommt. Wir sind gekommen, um zu bleiben, hieß es bei der Parteigründung 2007. Das gilt nun auch für uns: Wir bleiben in der Partei DIE LINKE und ringen weiter um eine klassenpolitische Ausrichtung. Aufgeben und gehen ist für uns keine Option!